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Nach sechs Jahren Geiselhaft ist die französisch-kolumbianische Politikerin Ingrid Betancourt frei. Kolumbianische Soldaten, die sich als Angehörige der Rebellebewegung Farc ausgegeben hatten, konnten die 46-jährige Betancourt und 14 andere Geiseln am Mittwoch mit einem Täuschungsmanöver befreien. Die Aktion verlief ohne Blutvergießen.
Jedoch mal zur Info - Wer ist eigentlich die Farc
Sie begannen als marxistische Freiheitskämpfer, mittlerweile schmuggeln sie Drogen und entführen Menschen reihenweise. Wer ist die kolumbianische Farc, die Politikerin Ingrid Betancourt sechs Jahre gefangen gehalten haben? Die sich Aufständische nennen, aber sich vor allem selbst die Taschen füllen?
Zum Schluss hatten die Rebellen auch noch ihren lautesten und prominentesten Fürsprecher verloren: Mitte Juni verkündete der venezolanische Präsident Hugo Chavez via TV: "Der Guerillakrieg ist Geschichte, Guerillaverbände passen nicht mehr in das Lateinamerika von heute." Die Farc solle ihren Kampf doch bitte beenden und die Geiseln freilassen. Zack. Das saß. Auch wenn der Haudrauf aus dem Nachbarland noch wenige Wochen zuvor die Rebellen vor den USA und der EU in Schutz genommen hatte: Es ginge nicht an, die Aufständischen als Terrorgruppe zu bezeichnen, so Chavez, sie seien "ein politisches Projekt", das man auch in Venezuela respektiere.
Nun ist die Farc noch nicht am Ende. Aber viel deutet darauf hin, dass sie sich nach 50 Jahren Guerillakrieg in der Auflösung befindet. 7000, 8000, 9000 Kämpfer gebe es noch - heißt es aus Kreisen der kolumbianischen Regierung. Das mag Propaganda sein, denn prüfen kann diese Zahlen niemand. Die Rebellen setzten die Zahl mindestens doppelt so hoch an. Nur: Allein in den vergangenen Monaten starben drei Spitzenleute der Farc. Raul Reyes etwa, Anfang März bei einem Luftangriff der kolumbianischen Armee auf ein Rückzugslager in Ecuador. Er waren deren Sprecher und die Nummer zwei in der Hierarchie. Im gleichen Monat verschied erst der greise Farc-Gründer Manuel Marulanda an einem Herzinfarkt und wenige Tage später wurde Ivan Rios, jüngstes Mitglied der Spitze, von seinem eigenen Leibwächter ermordet. Mitte Mai dann stellte sich die ranghöchste Frau, Elda Neyis Mosquera García genannt Karina, den kolumbianischen Behörden.
700 bis 800 Geiseln in der Gewalt der Farc
Wer sind eigentlich diese Rebellen, die geschätzte 700 bis 800 Geiseln gefangen halten und ihr Geld vor allem mit Waffen- und Drogenschmuggel verdienen? Ausgeschrieben steht der Name für "Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia", Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens. Sie wurden Anfang der 50er Jahre gegründet, ursprünglich verfolgten sie marxistische Ideale. Gemeinsam mit dem "Nationalen Befreiungsheer" ELN kontrolliert sie mehr als ein Drittel des Anden-Staates, zumeist unzugängliche Dschungelgebiete.
Seit ihrer Gründung bekämpft die Farc vor allem die kolumbianische Regierung - die mal mit mehr oder weniger Härte und Erfolg versucht, gegen die Guerillas vorzugehen. Mehrere Waffenruhen wurden ausgehandelt, immer wieder wurden sie gebrochen. Kolumbiens Staatschef, der konservative Alvaro Uribe, hatte zu Beginn seiner Amtszeit angekündigt, die Farc wenn nötig mit Gewalt niederzuringen - auch wenn er immer wieder dazu gedrängt wurde, bitte die Verhandlungen nicht zu vergessen. Die Bombardierung ecuadorianischen Staatsgebiets im März zumindest hatte die Region kurzfristig an den Rand eines Krieges geführt.
Den Kolumbianern gehen die Rebellen zunehmend auf die Nerven. Nach der Freilassung der Betancourt-Vertrauten Clara Rojas im Februar hatten fast vier Millionen Menschen in der Hauptstadt gegen die Guerillagruppe protestiert und die Freilassung aller Geiseln gefordert. In der Folge der Demonstration ist die Bewegung "Un millón de voces contra las Farc" (Eine Million Stimmen gegen die Farc) entstanden. Wegen der alltäglichen Gewalt und der Übergriffe der Widerständler sind laut Amnesty International allein im vergangenen Jahr mehr als 200.000 Menschen in ruhigere Landesteile geflohen.
Jährlich verschleppen die Farc-Kämpfer schätzungsweise 200 Menschen. Ingrid Betancourt, die französisch-kolumbianische Ex-Präsidentschaftskandidatin war die bekannteste Geisel. Sechs Jahre war sie in der Hand der Rebellen und immer wieder gab es Versuche, sie freizubekommen. Zuletzt unternahm der französische Präsident Nicolas Sarkozy eine Rettungsaktion und scheiterte kläglich.
Er schickte ein Flugzeug mit medizinischem Gerät nach in die Hauptstadt Bogotá, in der Hoffnung, die Farc würde mit Rücksicht auf das schwere Leberleiden Betancourts ein Einsehen haben. Doch die Revolutionäre blockten ab. Die Aktion sei "unangebracht", weil sie nicht abgesprochen und Teil einer "Erpressung" sei, ließen die Aufständischen damals ausrichten. Auch käme eine einseitige Freilassung Betancourts nicht in Frage. "Die in unseren Lagern festgehaltenen Personen werden nur im Rahmen eines Austausches von Gefangenen freigelassen", sagte Rodrigo Granda, der als eine Art Außenminister der Farc gilt. Zerknirscht musste Sarkozy seinen Flieger zurückbeordern.
Im Südwesten Kolumbiens, wo die Farc eine Art Staat im Staat gegründet hat, haben sich die Dorfbewohner hervorragend mit den Herrschern arrangiert. Von hier aus versorgen die einst sozialistischen Rebellen die Welt mit Drogen. Von hier aus starten und landen die Kokain-Bomber und hier verkaufen die Bauern den Guerilleros völlig überteuertes Flugbenzin und verdienen sich damit eine goldene Nase. "Und wenn es ein Fest gab", erzählte der Kneiper Quitero aus dem Dorf Taraira stern.de im März, "dann haben wir uns ein Flugzeug voller Nutten aus Brasilien kommen lassen." Der Guerillakrieg der Farc ist längst zum Selbstzweck geworden.