Die lang diskutierte Pflegereform kommt. Die Beiträge steigen und die über zwei Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland können auf bessere Leistungen hoffen.
Am 1. Juli tritt die Pflegereform in Kraft. Sie sieht Leistungsverbesserungen für die 2,1 Millionen Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen vor. Im Gegenzug müssen Arbeitnehmer und Arbeitgeber mehr zahlen. Ein Überblick:
BEITRÄGE: Der Beitragssatz steigt zum 1. Juli um 0,25 Punkte auf 1,95 Prozent des Bruttolohns; Kinderlose zahlen 2,2 Prozent. Die Anhebung soll ausreichen, um den Satz bis 2014/15 konstant zu halten. Auf eine umfassende Finanzreform hatten sich Union und SPD in den monatelangen Verhandlungen nicht verständigen können.
LEISTUNGEN: Die Beträge für ambulante Betreuung durch einen Pflegedienst werden bis 2012 schrittweise angehoben: In der Pflegestufe I von 384 auf 450 Euro, in der Stufe II von 921 auf 1100 Euro und in der Stufe III von 1432 auf 1550 Euro im Monat. Das Pflegegeld, das der Betroffene etwa an einen pflegenden Angehörige zahlen kann, steigt in Stufe I von 205 auf 235 Euro, in Stufe II von 410 auf 440 Euro und in Stufe drei von 665 auf 700 Euro. Auch die Beträge für Schwerstkranke in der stationären Pflege (Stufe III) steigen schrittweise: von 1432 auf 1550 Euro im Jahr 2012, für Härtefälle von 1688 auf 1918 Euro. Ab 2015 werden sämtliche Leistungen in einem dreijährigen Rhythmus angepasst.
DEMENZKRANKE: Altersverwirrte Menschen erhalten einfacher Pflegeleistungen als früher. Außerdem steigt der zusätzliche Betrag für sie von 460 Euro pro Jahr auf 1200 Euro bei geringem und auf 2400 Euro bei hohem Betreuungsbedarf. Auch in Heimen wird die Versorgung von Menschen verbessert, die sich im Alltag nur noch schwer zurechtfinden: Die Pflegekassen müssen für je 25 Bewohner eine zusätzliche Betreuungsassistenz finanzieren.
PFLEGESTÜTZPUNKTE: Die Länder erhalten die Möglichkeit, Pflegestützpunkte in den Wohnquartieren zu errichten, die Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen Rat und Hilfe unter einem Dach bieten. In ihnen sollen verschiedene Leistungserbringer und Kostenträger kooperieren. Als Anschubfinanzierung stellt der Bund bis 2011 insgesamt 60 Millionen Euro zur Verfügung – maximal 50.000 Euro pro Einrichtung.
FALLMANAGER: Ab 2009 haben Betroffene und Angehörige Anspruch auf eine individuelle Beratung und Hilfe bei der Organisation der Pflege und der Abwicklung aller Formalien. Die Kassen müssen dazu ein spezielles Fallmanagement anbieten. Wenn ein Stützpunkt vorhanden ist, soll der Berater dort tätig sein.
PFLEGEZEIT: Angehörige erhalten einen Anspruch auf eine sechsmonatige Freistellung von der Arbeit. In dieser Zeit werden Sozialversicherungsbeiträge bezahlt, aber kein Gehalt. Ausgenommen sind Betriebe mit bis zu 15 Mitarbeitern. Zudem wird ein unbezahlter kurzfristiger Freistellungsanspruch für bis zu zehn Arbeitstage geschaffen, um die Pflege für einen nahen Angehörigen zu organisieren.
PFLEGE-TÜV: Pflegeheime sollen ab 2011 ein Mal pro Jahr geprüft werden – in der Regel unangemeldet. Die Kontrolleure sollen vor allem auf den Pflegezustand der Bewohner achten. Ab nächstem Jahr sind die Einrichtungen verpflichtet, eine Zusammenfassung der zurzeit alle fünf Jahre stattfindenden Kontrollen gut sichtbar auszuhängen. Auch ambulante Dienste müssen die Bewertungen öffentlich machen. Der Pflegekassen stellen die Ergebnisse auch ins Internet. Für die bessere Erkennbarkeit wird bis Ende des Jahres ein neues Bewertungssystem erstellt. Im Gespräch ist ein Ampelschema. Heime, denen es gelingt, einen Bewohner durch Förderung in eine niedrigere Pflegestufe zu bringen, erhalten einmalig 1536 Euro.
BEANTRAGUNG: Die Pflegekassen werden verpflichtet, binnen fünf Wochen über Pflegeanträge zu entscheiden – liegt der Antragsteller im Krankenhaus binnen einer Woche. Die nötige Vorversicherungszeit wird von fünf auf zwei Jahre verkürzt. WEITERE ÄNDERUNGEN: Für Pflegepersonen werden künftig während eines normalen Urlaubs Rentenbeiträge entrichtet. Die Pflegekassen können leichter Verträge mit einzelnen Fachkräften schließen. Stationäre Einrichtungen erhalten die Möglichkeit, einen Heimarzt zu beschäftigen. Pflegekräfte müssen von den Heimen ortsüblich entlohnt werden. Mehrere Pflegebedürftige in Nachbarschaft oder Senioren-WG können Pflegeleistungen bündeln.