Sie waren die Lachnummern schlechthin und wurden von Bohlen und Co. verspottet: die DSDS-Kandidaten Menderes Bagci, "Ich hab die Haare schön"-Johanna und zuletzt Mario "Yoda" Teusch. Doch jetzt scheint sich das Blatt für die "Casting-Freaks" gewendet zu haben. Denn mittlerweile sind sie es, die von Fans bejubelt werden, stundenlang Autogramme schreiben und zudem noch ganz ordentlich Kohle scheffeln. Nachdem Sieger wie Elli Erl und Tobias Regner längst von der Bildfläche verschwunden sind, tingeln Menderes und Johanna gemeinsam durch Clubs und werden empfangen, als hätten sie bei DSDS gewonnen - wie zuletzt in der Disco "Maxx" in Wedel bei Hamburg. 800 Menschen brachen in schiere Begeisterung aus, als Menderes "Beat it" und Johanna ihr "Ich hab die Haare schön" jaulten. Und dafür bekamen sie der "Bild" zufolge nach Abzug aller Spesen jeder 500 Euro. Wenn man bedenkt, dass sie rund zehn Auftritte im Monat haben, keine schlechte Summe!
Erfolglos? Von wegen!
Auch Mario Teusch, der Kandidat, der der "Star Wars"-Figur Yoda ziemlich ähnlich sieht, hat es weiter gebracht, als es die Jury wahrscheinlich je gedacht hätte: Er tingelt ebenfalls durch Clubs und hat bereits einen eigenen Manager. Fast jedes Wochenende wird er gebucht und erhält respektable 300 Euro pro Auftritt berichtet die "Bild". Doch damit nicht genug: Andreas Ruscher, derjenige, der in der vierten Staffel die Dekoration im Studio umgerannt hatte, tritt auch in Diskos auf und nennt sich der "erfolgloseste Entertainer Deutschlands". Friseur Cosimo, der bereits viermal von der DSDS-Jury wieder nach Hause geschickt wurde, bekommt ebenfalls 300 Euro, wenn er in seinem Spider-Man-Kostüm als Sänger performt.
Zuschauer wollen Unterhaltung, keine Sänger
Es bleibt die Frage, warum die skurrilen Kandidaten von DSDS so erfolgreich sind und tatsächlich mittlerweile mehr bejubelt werden als die wahren Gesangstalente. Die Antwort liegt auf der Hand: Bei "Deutschland sucht den Superstar" geht es eben nicht darum, einen Sänger zu entdecken, sondern darum, die Menschen vor den Bildschirmen zu unterhalten heißt es in der Online-Ausgabe der "Sueddeutschen Zeitung". Und das funktioniert mit einer Mischung aus fiesen Sprüchen und untalentierten Kandidaten besser als mit "langweiligen" Sängern, die jeden Ton treffen. Hier liegt der Unterschied zwischen DSDS und den Castingformaten aus anderen Ländern. "American Idol" hat beispielsweise bereits mehrere international erfolgreiche Künstler hervorgebracht. Seit 2001 schafften es "American Idol"-Kandidaten mit 64 Titeln in die Top 100 der amerikanischen Charts, Kelly Clarkson und Jennifer Hudson (die Siegerinnen der ersten und vierten Staffel) gewannen sogar jeweils zwei Grammys. Woran das liegt, dass DSDS keine erfolgreichen Musiker hervorbringt? Ganz klar am deutschen Publikum, das insgeheim keine seriöse Castingshow, sondern pure Unterhaltung geliefert haben möchte.
Er ist zwar kein 29-jähriger arbeitsloser Koch, aber dafür kann er ziemlich gut singen: Der 37-jährige Musical-Profi Ole Junge fälschte seine Personalausweiskopie, wollte mit seiner Schummelei bei "Deutschland sucht den Superstar" ein "Zeichen setzen" und beweisen, dass Talent und Können wenig mit dem Alter zu tun hätten.
"Es gibt viele Leute wie mich, die Ihr Leben lang hart arbeiten und wirklich etwas können, aber das interessiert niemanden. Ich wollte 'DSDS' dazu nutzen, wirklich etwas voranzubringen. Aber jemanden, der es drauf hat, würde Bohlen nie neben sich ertragen", so Junge gegenüber der "Frankfurter Rundschau".
Er habe nachts im Hotel vier Stunden Zeit gehabt, mit zwei Mitbewerbern, die nicht singen können, ein Lied einzustudieren, um damit in die Top 20-Shows zu kommen. Man habe ihn vor der Jury blamieren wollen, da das Team die Schummelei inzwischen herausgefunden habe. Entsprechend vernichtend sei dann auch die Kritik gewesen.
Weiterhin sagte Junge der Zeitung, dass die Kandidaten vor den Castings bis zu sechs Stunden bei bis minus sechs Grad hätten warten müssen und dass ihnen verboten worden wäre, zur Toilette zu gehen. "Neben mir hat einer in die Hose gemacht. So geht das bei echten Auditions nicht zu", so Junge.
Dieter Bohlen bekomme außerdem vor den Beurteilungen eine Liste von den Coaches, die sich die Kandidaten vorher ansehen, damit er sich überlegen könne, was er zu wem sagt.
Junge selbst habe sein Auftritt in der Show nicht geschadet, da er als selbstständiger Künstler schon genug gute Kritiken bekommen habe und wisse, was er kann. Er wünsche sich, dass sich Bohlen mit einem Teil seines mit der Show verdienten Geldes "wirklich für Künstler einsetzen würde".
17.02.2008 - Mario Müller/wunschliste.de Quelle: Frankfurter Rundschau